Sammlung
Mit der Eröffnung der Städtischen Galerie im Haus Coburg hat die Städtische Kunstsammlung 1974 einen dauerhaften Ort gefunden. Diese Sammlung hat ihre Anfänge im 19. Jahrhundert und umfasst Malerei, Plastik, Grafik, Fotografie und Installationskunst. Sie bespielt nicht nur die Ausstellungsräume im Haus Coburg, sondern wird auch in verschiedenen Einrichtungen der Stadt und im öffentlichen Raum präsentiert.
Ausgesprochene Schwerpunkte bilden Künstlerinnen und Künstler aus Herwarth Waldens Avantgarde-Galerie DER STURM Anfang des 20. Jahrhunderts. Von ausgewählten Künstler:innen, die mit der Stadt Delmenhorst biografisch verbunden sind – wie Arthur Fitger, Fritz Stuckenberg und Marianne Mangels – halten wir deutschlandweit die größten Werkkonvolute. Durch eine aktive Ankaufspolitik und Schenkungen wird der Bestand kontinuierlich erweitert, so dass sich ein zweiter Schwerpunkt in der Gegenwartskunst herausgebildet hat.
Sammlungsschwerpunkt
Arthur Fitger
Für Hans Stephan, der die Städtische Galerie bis 1989 leitete, war Arthur Fitger eine zentrale Künstlerfigur. 1840 in Delmenhorst geboren, avancierte er ab den 1870er Jahren zu einem wichtigen deutschen Historienmaler. Als gefeierter Dekorateur arbeitete er in Städten wie Berlin und Leipzig, Hamburg und Hannover, Bremen und Oldenburg, auch in Amsterdam und Antwerpen. In seinen monumentalen Gemälden war er ganz dem akademischen Idealismus verpflichtet. Er entwarf religiöse und mythologische Wandbildzyklen, die zur repräsentativen Ausstattung von öffentlichen Gebäuden wie der Bremer Börse und dem Oldenburger Schlosssaal ebenso nachgefragt wurden wie zur Dekoration privater Bürgerhäuser. Arthur Fitger verstand sich als Malerpoet, der Lyrik publizierte und im Feuilleton nicht nur die Malerei seiner Zeit, sondern auch Dichtung, Musik und Theater kommentierte.
Sein Kunstgeschmack verlor mit dem Aufkommen von Impressionismus und Freilichtmalerei um die Jahrhundertwende schnell an Attraktivität. In oft polemischen Verrissen kritisierte er beispielsweise die Kunst aus der Kunstkolonie in Worpswede als „ganz verödeten Kartoffelnaturalismus“ und manövrierte sich damit selbst ins Abseits. Weitgehend isoliert starb er 1909 in Horn bei Bremen. Da seine Werke häufig als Auftragsarbeiten für eine konkrete Architektur realisiert wurden, finden sie sich seltener in öffentlichen Kunstsammlungen. Die Städtische Galerie in Delmenhorst verfügt über die größte museale Fitger-Sammlung in Deutschland.
Sammlungsschwerpunkt
Fritz Stuckenberg
Seit 1998 befindet sich der Nachlass von Fritz Stuckenberg als Dauerleihgabe der Niedersächsischen Sparkassenstiftung im Haus Coburg. Dass damit nicht nur ein repräsentatives Werkkonvolut des vielseitigen Künstlers, sondern auch seine private Korrespondenz und Bibliothek zu Ausstellungs- und Forschungszwecken zur Verfügung steht, ist der Galerieleiterin Barbara Alms zu danken, die die Sammlung von 1989 bis 2010 prägte. Den Bestand zu Fritz Stuckenberg hat Barbara Alms mit Werken ergänzt, die an seinen Wirkungsorten, Paris und Berlin in den 1910er und 20er Jahren, entstanden sind und wichtige Kunstrichtungen der Moderne kontextstiftend darstellen.
Fritz Stuckenberg (1881 München – 1944 Füssen) war in vielen künstlerischen Richtungen versiert, er beherrschte die Sprache des Naturalismus, des Post-Impressionismus und der Abstraktion gleichermaßen, er schuf kubofuturistische Grafiken, Gemälde eines sexuell aufgeladenen Symbolismus und eines religiösen Spiritualismus. Beeinflusst von seinen Wohnorten und den Kreisen, in denen er sich bewegte, veränderte sich seine malerische Handschrift. In Paris lebte er von 1907 bis 1912. Er verkehrte im Café du Dôme, einem Treffpunkt vor allem für deutsche Künstlerinnen und Künstler. Beeindruckt von Paul Cézanne, Henri Matisse und Robert Delaunay wendete er sich vom akademischen Malstil ab, räumte den Farben mehr Eigendynamik ein und verlegte sich auf ein helleres Kolorit.
In den folgenden Berliner Jahren wurde die Avantgarde-Bewegung DER STURM für Fritz Stuckenberg zum zentralen Bezugspunkt. Häufiger Gast im Hause des Verlegers und Galeristen Herwarth Walden, befreundet mit Heinrich Campendonk, Georg Muche, Arnold Topp und den Schriftstellern Paul van Ostaijen und Salomo Friedlaender, war Stuckenberg international auf Ausstellungen vertreten.
Das Delmenhorster Modell
Regelmäßig entstehen Ausstellungen an der Städtischen Galerie, in denen Delmenhorst selber zum Gegenstand der Kunst wird. Unter der Leitung von Annett Reckert bespielte beispielsweise Thomas Putze 2010 den Wasserturm der Stadt mit einer Klanginstallation. 2014 ermittelte Kasia Fudakowski den Immobilienwert der Villa Coburg und beschäftigte sich mit der patriarchalen Gesinnung, die in der Familie Coburg herrschte. Gabriela Oberkofler richtete 2016 ein mobiles Atelier in der Delmenhorster Graft ein und beobachtete sammelnd, zeichnend und installativ ihre natürliche Umgebung. Drei Jahre später realisierte Frederik Værslev eine Gemäldeserie, indem er die Fenster der Villa Coburg nachbauen ließ und als Rahmen für seine floralen Motive verwendete. Und Georg Winter schlug 2018 eine Nutzungsalternative für das Wollepark Quartier vor und setzte Schafe als Nachbarn und Komplizen ein. Diese ortsspezifischen Produktionen überführen Bauwerke wie das Haus Coburg oder den Wasserturm als Motive in die Kunst. Sie erobern die Umgebung als erweiterten Ausstellungsraum und treffen mitten im städtischen Leben auf ihr Publikum.
Seit 2021 leitet Matilda Felix die Städtische Galerie Delmenhorst.