Städtische Galerie Delmenhorst

Eröffnung der Ausstellung it takes time to build and a second to wreck it, 2022, Foto: Lukas Klose

Am 17. Mai 1974 eröffnete die erste Ausstellung in der Städtischen Galerie Delmenhorst: Profitopolis oder Der Mensch braucht eine andere Stadt. Es ging um die wachsende Kommerzialisierung von urbanem Raum. Ein Startpunkt, der gleich deutlich machte, dass es in diesem Haus sowohl um Kulturgenuss als auch um aktuelle gesellschaftliche Diskussionen gehen sollte. 

Heute noch widmet sich das Haus Coburg der Gegenwartskunst. Für junge künstleri­sche Positio­nen bietet sich hier die Gelegenheit zum ersten repräsentativen Auftritt. In Sonder­ausstel­lun­gen trifft man hier auf gesellschaftlich relevante Themen. Zugleich entsteht in der Galerie eine städtische Sammlung, die Schwerpunkte hat in der Kunst der Moderne und der Gegenwart. 

Sammlung, Ausstellungen und Vermittlung bilden am Haus Coburg ein gemeinsames Arbeitsfeld. Aus ihm heraus wird ein Kulturpro­gramm entwickelt, das sich zum Ziel setzt, die eigene Gegenwart aus diversen Perspektiven zu reflektieren.

Geschichte

1904

Die Villa

Historische Postkarte, ca. 1910

„Wie wir alle wissen, aber sehr oft (…) außer acht lassen, hängt der Ruf einer Stadt viel, ja größtenteils nur von der Wirkung und dem Reiz seiner Platz- und Stadtbilder, von seiner Gestaltung und Form­­bildung ab. “ Heinz Stoffregen 1927

Als Heinz Stoffregen (1879 Hannover – 1929 Bad Tölz) das Haus Coburg 1904 entwarf, war er 25 Jahre alt. Es war das zweite Gebäude, das er als Architekt realisierte und es sollte seine Eintrittskarte für stadtbild­prägende Projekte in Delmenhorst werden. Mit dem Wasserturm, dem Rathaus und der Markthalle baute Stoffregen die Wahrzeichen der Stadt Delmenhorst. 1904 war diese Entwicklung nicht abzusehen. Der Auftrag, den Hermann Coburg ihm erteilte, bestand darin, einen Familien­wohn­sitz zu entwerfen, in dem zugleich eine Arztpraxis unterzubringen ist und repräsentative Räumlichkeiten existieren, die sich für kulturelle Abend­veranstaltungen nutzen lassen. 

Aus Blumenthal zugezogen, hatte sich Hermann Coburg 1892 als praktischer Arzt in Delmenhorst niedergelassen. Neben seiner Hauspraxis übernahm er die medizinische Versorgung in der Han­seatischen Jutespinnerei und wurde später Chefarzt im Kranken­haus der Norddeutschen Wollkämmerei. Seine Heirat mit Annita Hengst dürfte 1902 der Auslöser dafür gewesen sein, ein Eigen­heim zu planen. 1905, zur Taufe der zweiten Tochter, wurde die bereits bezogene Villa mit einem Konzertabend gefeiert. Konzerte bildeten in der ersten Hälfte des 20. Jahr­hunderts den häufigsten Anlass, um sich in der Villa Coburg zu treffen. Als guter Pianist musizierte Hermann Coburg selber im Trio Coburgini zusammen mit den Oldenburger Kammer­musikern Wilhelm Kufferath und Heinrich Düsterbehn. Diese Tradition führte sein Sohn, Hermann Coburg Junior, fort, der 1934 die Praxis seines Vaters übernahm.

1961 – 1971

galerie pro arte

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„Unsere Stadt hat ihr Herz entdeckt“, so kommentierte der Kultur­dezernent Berthold von Seebach das Haus Coburg als neuen Aus­stellungsort in Delmenhorst. Vorangegangen war am 4. November 1961 ein großes Ereignis: Hermann Coburg Junior öffnete zum ersten Mal die Türen der galerie pro arte. Er präsen­tierte Fritz Stuckenberg, einen im National­sozialismus diffamierten Künstler, der 1944 gestorben war und das neu einsetzende Interesse an seiner vielseitigen künstlerischen Praxis nicht mehr erlebte.

Hermann Coburg (1903 Delmenhorst – 1979 Rethorn) absolvierte sein Medizin­studium in den Kultur­metropolen Berlin, München und Wien. Er lebte anschließend fünf Jahre in New York, lernte hier die Homöopathie kennen, bevor er sich 1933 als Arzt in Delmen­horst niederließ. Die in der Familie kultivierten Kultur­veranstaltun­gen erfuhren durch ihn eine Professionalisierung. In der Nachkriegs­zeit kämpften viele Ausstellungs­häuser in Deutschland mit Gebäude­schäden und Werk­verlusten. Ein erster wichtiger Auftritt für zeitge­nössische Kunst bot sich 1955 in den Kriegs­ruinen Kassels, wo die documenta zum Rahmen­programm einer Bundesgartenschau bei­trug. Die private Galerie in Delmenhorst war 1961 nicht nur ein großer Gewinn für das Publikum, sie war auch ein wichtiger Ort für Künstlerinnen und Künstler, um mit ihren Werken an die Öffentlich­keit zu treten.

Die Kunst in der galerie pro arte war international und abstrakt. Zu sehen waren Werke aus Spanien, Italien, Norwegen, Dänemark, Frankreich, Belgien und Griechenland. Hermann Coburg initiierte Kooperationen mit dem Landesmuseum Oldenburg, was ihm namhafte Ausstellungen zur Moderne ermöglichte, in denen Pablo Picasso und Henri Matisse, Max Beckmann, Max Liebermann oder Edvard Munch vertreten waren. Aber auch die regionale Kunst bedachte er mit großer Aufmerksamkeit und widmete beispiels­weise Marianne Mangels, Willi Oltmanns, Josef Pollak oder Fritz Fuhrken prominente Präsentationen. Als er die Villa Coburg nach zehn Jahren Galerie­betrieb der Stadt anbot, hatte er 70 Ausstel­lungen organisiert.

1973

Städtische Galerie Delmenhorst

Ansicht Haus Coburg 1974, © DK Medien GmbH & Co. KG - Delmenhorster Kreisblatt, Foto: Racin

Der Kaufvertrag zwischen der Stadt Delmenhorst und Hermann Coburg wurde im Februar 1973 unterzeichnet. Für 375 000 DM, zahlbar zum Teil in bar und als Leibrente, ging das Haus Coburg in städtischen Besitz über. Bereits zuvor hatte die Diskussion um die zukünftige Nutzung eingesetzt, im Gespräch war beispiels­weise die Unterbringung des Gesundheits­amtes oder des Standes­amtes. Am 27. Juni 1973 stand diese Frage auf der Tages­ordnung des Kultur­ausschusses. Während der Amtsleiter Hans Stephan erklärte, im Haus Coburg gehe es darum „eine Heim­stätte für die bildende Kunst zu finden“, vertrat Bürger­meister Harald Groth den Stand­punkt, das Haus Coburg könne nicht nur der bildenden Kunst dienen. Es müsse auch Kommunikations­zentrum und möglich sein, „im Keller­geschoß einen Beat-Raum einzurichten.“ Verschiedene Optionen wurden durchgespielt, bevor sich die Städti­schen Galerie durchsetzte. Deren Leitung übernahm Hans Stephan. Während er in Ausstellungen die internationale Orientierung von Hermann Coburg durchaus fortführte, konzentrierte er sich im Kunsterwerb auf regionale Künstlerinnen und Künstler.