Städtische Galerie Delmenhorst
Am 17. Mai 1974 eröffnete die erste Ausstellung in der Städtischen Galerie Delmenhorst: Profitopolis oder Der Mensch braucht eine andere Stadt. Es ging um die wachsende Kommerzialisierung von urbanem Raum. Ein Startpunkt, der gleich deutlich machte, dass es in diesem Haus sowohl um Kulturgenuss als auch um aktuelle gesellschaftliche Diskussionen gehen sollte.
Heute noch widmet sich das Haus Coburg der Gegenwartskunst. Für junge künstlerische Positionen bietet sich hier die Gelegenheit zum ersten repräsentativen Auftritt. In Sonderausstellungen trifft man hier auf gesellschaftlich relevante Themen. Zugleich entsteht in der Galerie eine städtische Sammlung, die Schwerpunkte hat in der Kunst der Moderne und der Gegenwart.
Sammlung, Ausstellungen und Vermittlung bilden am Haus Coburg ein gemeinsames Arbeitsfeld. Aus ihm heraus wird ein Kulturprogramm entwickelt, das sich zum Ziel setzt, die eigene Gegenwart aus diversen Perspektiven zu reflektieren.
Geschichte
1904
Die Villa
„Wie wir alle wissen, aber sehr oft (…) außer acht lassen, hängt der Ruf einer Stadt viel, ja größtenteils nur von der Wirkung und dem Reiz seiner Platz- und Stadtbilder, von seiner Gestaltung und Formbildung ab. “ Heinz Stoffregen 1927
Als Heinz Stoffregen (1879 Hannover – 1929 Bad Tölz) das Haus Coburg 1904 entwarf, war er 25 Jahre alt. Es war das zweite Gebäude, das er als Architekt realisierte und es sollte seine Eintrittskarte für stadtbildprägende Projekte in Delmenhorst werden. Mit dem Wasserturm, dem Rathaus und der Markthalle baute Stoffregen die Wahrzeichen der Stadt Delmenhorst. 1904 war diese Entwicklung nicht abzusehen. Der Auftrag, den Hermann Coburg ihm erteilte, bestand darin, einen Familienwohnsitz zu entwerfen, in dem zugleich eine Arztpraxis unterzubringen ist und repräsentative Räumlichkeiten existieren, die sich für kulturelle Abendveranstaltungen nutzen lassen.
Aus Blumenthal zugezogen, hatte sich Hermann Coburg 1892 als praktischer Arzt in Delmenhorst niedergelassen. Neben seiner Hauspraxis übernahm er die medizinische Versorgung in der Hanseatischen Jutespinnerei und wurde später Chefarzt im Krankenhaus der Norddeutschen Wollkämmerei. Seine Heirat mit Annita Hengst dürfte 1902 der Auslöser dafür gewesen sein, ein Eigenheim zu planen. 1905, zur Taufe der zweiten Tochter, wurde die bereits bezogene Villa mit einem Konzertabend gefeiert. Konzerte bildeten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts den häufigsten Anlass, um sich in der Villa Coburg zu treffen. Als guter Pianist musizierte Hermann Coburg selber im Trio Coburgini zusammen mit den Oldenburger Kammermusikern Wilhelm Kufferath und Heinrich Düsterbehn. Diese Tradition führte sein Sohn, Hermann Coburg Junior, fort, der 1934 die Praxis seines Vaters übernahm.
1961 – 1971
galerie pro arte
„Unsere Stadt hat ihr Herz entdeckt“, so kommentierte der Kulturdezernent Berthold von Seebach das Haus Coburg als neuen Ausstellungsort in Delmenhorst. Vorangegangen war am 4. November 1961 ein großes Ereignis: Hermann Coburg Junior öffnete zum ersten Mal die Türen der galerie pro arte. Er präsentierte Fritz Stuckenberg, einen im Nationalsozialismus diffamierten Künstler, der 1944 gestorben war und das neu einsetzende Interesse an seiner vielseitigen künstlerischen Praxis nicht mehr erlebte.
Hermann Coburg (1903 Delmenhorst – 1979 Rethorn) absolvierte sein Medizinstudium in den Kulturmetropolen Berlin, München und Wien. Er lebte anschließend fünf Jahre in New York, lernte hier die Homöopathie kennen, bevor er sich 1933 als Arzt in Delmenhorst niederließ. Die in der Familie kultivierten Kulturveranstaltungen erfuhren durch ihn eine Professionalisierung. In der Nachkriegszeit kämpften viele Ausstellungshäuser in Deutschland mit Gebäudeschäden und Werkverlusten. Ein erster wichtiger Auftritt für zeitgenössische Kunst bot sich 1955 in den Kriegsruinen Kassels, wo die documenta zum Rahmenprogramm einer Bundesgartenschau beitrug. Die private Galerie in Delmenhorst war 1961 nicht nur ein großer Gewinn für das Publikum, sie war auch ein wichtiger Ort für Künstlerinnen und Künstler, um mit ihren Werken an die Öffentlichkeit zu treten.
Die Kunst in der galerie pro arte war international und abstrakt. Zu sehen waren Werke aus Spanien, Italien, Norwegen, Dänemark, Frankreich, Belgien und Griechenland. Hermann Coburg initiierte Kooperationen mit dem Landesmuseum Oldenburg, was ihm namhafte Ausstellungen zur Moderne ermöglichte, in denen Pablo Picasso und Henri Matisse, Max Beckmann, Max Liebermann oder Edvard Munch vertreten waren. Aber auch die regionale Kunst bedachte er mit großer Aufmerksamkeit und widmete beispielsweise Marianne Mangels, Willi Oltmanns, Josef Pollak oder Fritz Fuhrken prominente Präsentationen. Als er die Villa Coburg nach zehn Jahren Galeriebetrieb der Stadt anbot, hatte er 70 Ausstellungen organisiert.
1973
Städtische Galerie Delmenhorst
Der Kaufvertrag zwischen der Stadt Delmenhorst und Hermann Coburg wurde im Februar 1973 unterzeichnet. Für 375 000 DM, zahlbar zum Teil in bar und als Leibrente, ging das Haus Coburg in städtischen Besitz über. Bereits zuvor hatte die Diskussion um die zukünftige Nutzung eingesetzt, im Gespräch war beispielsweise die Unterbringung des Gesundheitsamtes oder des Standesamtes. Am 27. Juni 1973 stand diese Frage auf der Tagesordnung des Kulturausschusses. Während der Amtsleiter Hans Stephan erklärte, im Haus Coburg gehe es darum „eine Heimstätte für die bildende Kunst zu finden“, vertrat Bürgermeister Harald Groth den Standpunkt, das Haus Coburg könne nicht nur der bildenden Kunst dienen. Es müsse auch Kommunikationszentrum und möglich sein, „im Kellergeschoß einen Beat-Raum einzurichten.“ Verschiedene Optionen wurden durchgespielt, bevor sich die Städtischen Galerie durchsetzte. Deren Leitung übernahm Hans Stephan. Während er in Ausstellungen die internationale Orientierung von Hermann Coburg durchaus fortführte, konzentrierte er sich im Kunsterwerb auf regionale Künstlerinnen und Künstler.