26. Nov.–26. Feb. 2023
Was ist verloren?
Wieland Schönfelder & El Lissitzky
Unter der titelgebenden Frage „Was ist verloren?“ zeigt das Haus Coburg die erste institutionelle Einzelausstellung des Berliner Künstlers Wieland Schönfelder, die im Dialog mit einer Figurinen-Mappe von El Lissitzky entstand.
Wieland Schönfelder arbeitet mit einem szenografischen Verständnis von Skulptur, die ebenso gut Installation genannt werden könnte, da sie die Grenzen zwischen Figur, Raum und bewegtem Bild gekonnt ignoriert. Seine Skulpturen gleichen Gliederpuppen, die in verschiedene Haltungen gebracht werden, um theatral überspitzte Gefühlslagen auszudrücken. Opulente Vorhänge, Modellbühnen in Miniatur, Requisiten und Backstagebereiche sind weitere Anleihen aus der Welt des Theaters, die Wieland Schönfelder in den Ausstellungsräumen einsetzt.
Den Ausgangspunkt für diese Inszenierung im Haus Coburg lieferte die Figurinen-Mappe Die plastische Gestaltung der elektro-mechanischen Schau ‚Sieg über die Sonne‘ von El Lissitzky (*1890 in Potschinok, Russland; †1941 in Moskau). Er bezog sich auf eine futuristische Oper von Michael Matjuschin, die 1913 im zaristischen Petersburg erstaufgeführt wurde und den technischen Fortschrittsglauben ihrer Zeit persiflierte. Als El Lissitzky 1923, kurz nach Gründung der Sowjetunion, von der Kestner Gesellschaft eingeladen wurde, ein Mappenwerk zu gestalten, wählte er diesen Opernstoff. Er entwarf neun Figuren aus geometrischen und typografischen Elementen, die mit einem in jede Richtung flexiblen Bewegungsapparat ausgestattet sind. Rationale Formen und hohe Agilität bilden hier die Grundelemente für eine positive Zukunftsvision. Auf einer Banderole des Deckblatts adressiert Lissitzky fünfsprachig ein internationales Publikum mit dem Motto: „ALLES IST BIEN WAS GOOD НАЧИНАЕТСЯ ET HAT NO FINETA“ – Alles ist gut, was gut beginnt und nicht endet.
Dagegen rückt Wieland Schönfelder in seiner Neubearbeitung die Verlusterfahrung wieder ins Zentrum. Denn der Sieg über die Sonne, führt zu ihrem Verschwinden. Die Folgen nicht kalkulierbar, und diese individuelle Verunsicherung bekommt gesellschaftliche Dimensionen.
Wieland Schönfelder (*1985 Berlin) hat am Konservatorium in Wien Schauspiel studiert, bevor er von 2012 bis 2018 ein Studium der freien Kunst an der Universität der Künste in Berlin in der Klasse von Manfred Pernice absolvierte. Unterbrochen wurde sein Studium von einem Auslandsjahr, das er am renommierten Schools of Arts Institute in Chicago verbrachte, wo er sich mit den performativen Videoinstallationen von Paul McCarthy beschäftigte. Doch während sich Paul McCarthy am Fernsehprogramm orientiert, Reality-Formate, Werbung und Soaps zitiert, um Gesellschaft in den Blick zu nehmen, wildert Wieland Schönfelder für seine Motivfindung in der Film- und Theaterwelt. Für erste Präsentationen im Kunstbetrieb nutze er in den letzten Jahren Off-Spaces in Berlin, Wien, Porto und Köln. Er ist momentan in der Gruppenausstellung Smaller Worlds. Diorama in Contemporary Art am Museum Ludwig in Budapest vertreten.
Die Ausstellung wird unterstützt vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur und dem Freundeskreis Haus Coburg e.V.
Anlässlich der Ausstellung erschien die Publikation Was ist verloren?.